Wundränder by Sepp Mall

Wundränder by Sepp Mall

Autor:Sepp Mall [Mall, Sepp]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: HAYMONVerlag
veröffentlicht: 2015-05-05T16:00:00+00:00


22.

Sie überquerten die Staatsstraße und liefen durch das staubige Gras, das neben der Straße wuchs. Die Sonne stand tief und schob die Schatten der Telefonmasten weit über das Brachland hin. Sie redeten über das Rauchen und welche Zigarettensorte die beste wäre, und dann fragte Stella plötzlich, ob es wahr sei, dass sein Vater ein Terrorist wäre.

Was, sagte Paul.

Stella schaute auf ihre weißen Schuhe hinab und sagte, dass sie das so gehört habe. Ein Attentäter, einer, der Bomben legt, Stromleitungen in die Luft sprengt und alle Italiener umbringen möchte. Bei ihr zu Hause hätten sie das so erzählt.

Bomben legen, sagte Paul, du spinnst. Er hat gar nichts getan.

Vorne tauchte die Unterführung auf, der schwarze Tunnel, den man gebaut hatte, als das Rangiergelände des Bahnhofs erweitert worden war. Er war ohne Licht und seit Paul denken konnte, bewältigte er ihn im Laufschritt. Manchmal wartete er, bis eine Zuggarnitur oder eine Rangierlok sich näherte, dann rannte er los. Er stürzte sich hinein in die Finsternis und das Getöse und während er lief, spürte er ein Kribbeln im Bauch, eine wohlige Angst, die sich ausbreitete bis auf seine Oberschenkel. Und wenn er auf der anderen Seite ins Helle kam, atemlos, blieb er stehen und wartete, bis die Anspannung wieder abfiel, zentimeterweise. Nur das Kribbeln im Unterbauch blieb manchmal, bis er zu Hause ankam.

Ist das wirklich wahr, fragte Stella.

Komm, sagte Paul.

Ihre Hand war plötzlich in der seinen und dann rannten sie los. Als sie in die Finsternis des Tunnels tauchten, verstärkte sich der Druck von Stellas Fingern und Paul spürte den Schweiß, der ihre Handflächen aneinander klebte. Er fixierte die grelle Öffnung am anderen Ende des Tunnels und wartete darauf, dass das Klopfen und Poltern über ihnen begänne. Doch diesmal fuhr kein Zug über seinen Kopf hinweg, er hörte nur das Klappern von Stellas Absätzen auf dem Beton und sein Herz, das in seinen Schläfen pochte.

Noch bevor sie in die Mitte der Unterführung kamen, schrie Stella, dass sie nicht mehr könne. Sie blieb stehen, zog ihre Hand aus der seinen und fragte, schwer atmend: Hat er das wirklich nicht getan, dein Vater?

Das müsste ich doch wissen, sagte Paul und stützte seine Hände auf die Knie.

Stella machte dieselbe Bewegung und schaute ihn von unten her an.

Ich bin mir ziemlich sicher, sagte er und sah zu, wie sie sich wieder aufrichtete.

Sie trat beiseite, um einem Auto Platz zu machen, das mit aufgeblendeten Scheinwerfern durch die Unterführung kam. Der Fahrer hupte, als er die beiden sah und zeigte ihnen seine Faust durchs Fenster, aber Stella achtete nicht darauf. Sie stand da und schüttelte den Kopf, als wüsste sie nicht mehr, was sie glauben sollte. Paul sagte, dass das alles ziemlich kompliziert sei, und dann gingen sie ins Freie.

Ihre neue Wohnung lag da, wo die Stadt aufgehört hatte und in Felder übergegangen war, als es Harlem noch nicht gab. Jetzt aber war der Blick in die Wiesen von den Wohnblocks verstellt und beinahe jeden Monat kamen neue dazu. Gegenüber den riesigen Kondominien in Harlem nahm sich ihr Haus klein



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